Integrative Zahnheilkunde (Archiv)

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Endodontie – Aspekte einer Integrativen Zahnheilkunde

Von Christoph Arlom, erschienen in: Ärztezeitschrift für Naturheilverfahren, 01/2008,

In der Zeitschrift Dental-Barometer vom März 2007 philosophiert der Münchener Kollege Dr. Dr. Rüdiger Osswald unter anderem über die Qualität der Endodontie (Wurzelbehandlung):


„Im deutschsprachigen Raum mahlen die endodontischen Mühlen besonders langsam. Das war vor 100 Jahren ganz anders. Da wurden die internationalen Protokolle hier entwickelt. Heute wird nacherzählt, was die Amerikaner vorbeten, und sogar immer noch darüber gestritten, ob E. faecalis, der in 70 % der gangränösen Zähne genauso nachzuweisen ist wie bei Revisionen, wirklich resistent gegen Kalziumhydroxid ist oder vielleicht doch nicht. Wenn in der Endodontie überhaupt etwas mit wissenschaftlicher Evidenz belegt ist, dann wohl das — und zwar seit 1990 (Friedmann).
Dass die apikale Ostitis nicht ausgeheilt wird, scheint nicht so wichtig. Hauptsache, das passiert unter Kofferdamm. […] Mit Bezug auf einen im renommierten International Endodontic Journal erschienenen Grundsatzartikel über die bescheidenen Ergebnisse der Infektionskontrolle bei Wurzelkanalbehandlungen nach dem international anerkannten Goldstandard der Endodontie-Spezialisten schreibt die Herausgeberin der Zeitschrift Endodontic Practice im Editorial der Maiausgabe 2006 sinngemäß: Es ist als Endodontologe ausgesprochen deprimierend, die weltweit mehr als die Hälfte aller Wurzelfüllungen [Anmerkung des Autors: nach Haag 8 Millionen im Jahr 2005 in Deutschland] voller Bakterien sind undgeradezu eine Epidemie von nicht ausgeheilten apikalen Knocheninfektionenexistiert.“ [9]

Zahnmedizinischer Alltag

Devitale Zähne, Leerkieferostitiden, Titanimplantate, wurzelspitzenresizierte und endodontisch versorgte Zähne können auf die Regulationsfähigkeit des Gesamtorganismus einwirken. Dies geschieht durch bakterielle Infektion und Abwanderung von Toxinen — und zwar ossär, lymphatisch, immunologisch, vasal, endokrin, vegetativ-nerval und meridianspezifisch [1].

Im klinisch-zahnmedizinischen Alltag werden diese oraltoxikologischen Belastungen mit ihren individuellen Auswirkungen auf Regulation und Meridiansystem weitgehend ignoriert. Eine rein technisch-mechanische Versorgung und die prothetische Wertigkeit haben Priorität — völlig zu Recht, solange ein Individuum die Belastungen kompensiert. Etablieren sich jedoch chronische Erkrankungen, sollte eine differenziertere Betrachtung gelten:
Denn auch wenn endodontische Versorgungen auf einem Röntgenbild perfekt
erscheinen, so werden nie alle Seitenkanäle, die bis zu 70 % des Gesamtvolumens des Pulpencavums ausmachen, frei von avitalen organischen Substanzen und/oder bakterieller Infektion sein [6].

Außerdem entziehen sich diese durch ihre Feinheit einer radiologischen Diagnostik. Apikale und interradikuläre Veränderungen sind durch die Zweidimensionalität herkömmlicher zahnärztlicher Radiologie insbesondere im Oberkiefer- Molarenbereich oft mit bildgebenden Verfahren nicht darstellbar — digitale volumentomografische Verfahren sind in ihrer Präzision eindeutiger. 

Apikale Veränderungen sind oft erst mit einer Latenzzeit von einem halben Jahr diagnostizierbar.

Katamnestische Verlaufskontrollen langjährig bestehender endodontischer Versorgungen hinsichtlich einer eventuellen Belastung beliebiger Kompartimente finden nicht statt. (Spranger interpretiert ein Kompartiment als einen ökologisch, morphologisch, funktionell oder wechselseitig kompatiblen Reaktionsraum unterschiedlicher physikalischer Zustände, dessen Inhalt durch eine in der Einzelbetrachtung eindeutig bestimmbare Zusammensetzung charakterisiert ist und der in regulierenden Wechselwirkungen mit angrenzenden Räumen steht. [13])

Im Praxisalltag werden wir jedoch immer wieder mit lokalem oder komplex-chronischem Schmerzgeschehen konfrontiert, dessen Genese mit konventioneller, apparativ bildgebender Diagnostik nicht eindeutig zu klären ist. Dem Patienten kann in solchen Fällen keine zielführende Therapieentscheidung angeboten werden.

Mesenchym und Meridiane

Embryologisch betrachtet entstammt die Pulpa dem Mesoderm. Sie ist somit direkt vernetzt mit der von Pischinger beschriebenen Grundsubstanz (Mesenchym) [9].
Eine therapeutische Manipulation der Pulpa wird sich ubiquitär auswirken — unter anderem über eine Potenzialänderung der Proteoglykane und im Vegetativum.
Im anaeroben Milieu endodontisch versorgter Zähne können Katabolite entstehen, die als neurotoxisch und degenerativ wirkende Metabolite resorbiertwerden (vgl. [10]) und mit positiv geladenen Metall-Ionen Bindungen eingehen können (vgl. [8]; Zahnmetalle).
Zu diesen Kataboliten gehören zum Beispiel Methylmercaptane, Propionsäuren, Polyamine, Putrescin oder Cadaverin. Gleichzeitig beeinflusst die Manipulation über das Odonton das Meridiansystem.

Als Odonton ist ein Zahn mit seiner morphologischen Umgebung und seiner physiologischen Funktion zu verstehen [14]. Meridiane sind in der Traditionellen Chinesischen Medizin die zusammenfassende Bezeichnung für Akupunkturpunkteverbindende Leitbahnen.

Gleditsch [5] ordnet den einzelnen Odontonen spezifische Mundakupunkturpunkte zu. Nach Heine [7] haben die Akupunkturpunkte Organcharakter, der sie als Schaltstelle von Reizen in das Mesenchym erscheinen lässt. Somit wirken Akupunkturpunkte zum einen auf das Meridiansystem, zum anderen in das System der Grundsubstanz [7]. Umgekehrt werden exo- und endogene Kontaminationen des Mesenchyms über die Akupunkturpunkte auf das Meridiansystem einwirken, wobei die Meridian-Funktionskreise ineinandergreifen. Physische und psychische Stressoren können auf diese Weise – abhängig von der Immuntoleranz eines Individuums, der Latenzzeit und der psychischen Stabilität/Labilität – auf beide Systeme einwirken.

In der Entstehung von Fachgebieten wie der Psychoneuroendokrino-Immunologie [12] spiegelt sich in der Medizin die Komplexität einer solchen Kompartiment-Physiologie wider. Wie kann man sich diese Wirkungen neurophysiologisch erklären? Die frei in der Grundsubstanz endenden vegetativen Endformationen können Akkumulationszentren toxischer Substanzen sein, welche afferent auf das emotionale Gehirn (limbisches System und Amygdala) einwirken. Dadurch können sich über latente somato-psychopathogene Belastungen individuelle Wahrnehmungen und Wahrheiten der interzerebralen Kommunikation mit höheren Zentren des Kortex „verschieben“. Des Weiteren kann über das epiphysäre System das Endokrinum dysregulieren. Wie wir sehen, handelt es sich bei den beschriebenen Wirkungen um einen primär somato-psychischen Kausalzusammenhang — der im klinischen Alltag von Psychatrie, Neurologie oder Endokrinologie allerdings als psycho-somatisch klassifiziert wird. Bei entsprechender psychiatrischer Disposition eines Patienten lässt sich in einer diagnostischen Endbetrachtung tatsächlich schwer entscheiden, welcher Anteil somatisch, welcher psychisch ist.

Neuraltherapie und Kombinationsinfiltration

Das Odonton kann als Ausgangsort für Irritationen, Missempfindungen oder manifestierte Erkrankungen angesehen werden. Neben einer aufwendigen apparativen und manuellen Regulations- und Meridiandiagnostik hat sich in den letzten Jahrzehnten in der zahnärztlichen Komplementärmedizin daher die neuraltherapeutische Infiltration an das Odonton etabliert [4]. Allerdings ist seit den 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts zu beobachten, dass die Wirkung der Neuraltherapie in ihrer Eindeutigkeit nachlässt. Das von Huneke beschriebene Sekundenphänomen [4] ist nur noch selten zu beobachten. Als Grund hierfür werden toxische Regulationsblockaden aus Umwelt und Nahrung diskutiert [3].
Die klassische Neuraltherapie mittels Procain unterbricht die pathologisch sympathikotone Reaktionslage und verbessert die lokale Perfusion [15]. Stärker wirksam und aus meiner zahnärztlich-klinischen Erfahrung heraus zielführender ist die Kombinationsinfiltration an das entsprechende Odonton mit einem pHregulierenden Potenzakkord, einer lymphatischen Stimulans und einem isopathischen „Antibiotikum“. Neben der diagnostischen wird auf diesem Wege auch die therapeutische Wirkung verstärkt: Der Patient

  • nimmt die Entlastung wahr,
  • kann bewusst fühlen, wie „Schmerzstränge“ verlaufen,
  • bekommt eine Möglichkeit der nebenwirkungsfreien Intervention (nach evtl. traumatischer Wurzelspitzenresektion und bereits mehrmaliger Antibiose),
  • gewinnt Zeit, um sich mit Ängsten auseinanderzusetzen und Klarheit über das weitere Vorgehen zu erlangen.

Verwendet werden:

  • ein pH-regulierender Potenzakkord
  • ein lymphatisches Stimulans
  • ein isopathisches „Antibiotikum“

Integrative Zahnheilkunde

Die Zunahme therapieresistenter chronisch Erkrankter mit mannigfaltigen Erfahrungen in konventioneller Diagnostik und Therapie führte zur Etablierung komplementärmedizinischer Methoden, denn moderne bildgebende und chirurgisch- mikroinvasive Verfahren, Nano- und Gentechnologie stoßen bei komplexen Krankheitsbildern an ihre Grenzen.
Die Integrative Zahnmedizin ist ein Teil der Medizin, der die klassisch-konventionell gelehrte Zahnmedizin um komplementärmedizinische Verfahren ergänzt. Unter meridian- und regulationsdiagnostischen Aspekten ist das Kauorgan als Teil des Gesamtorganismus zu betrachten [2]. Dies gilt sowohl anatomisch und morphologisch als auch physiologisch. Odonton-Meridian-Kausalitäten sind Teil der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM), während die Regulationsmedizin eine andere Interpretation bekannter Physiologie ist. Um zu einer wirklich Integrativen Zahnmedizin zu gelangen, müssen Verfahren der traditionellen europäischen Medizin, psychosoziale Kompetenzen und umweltmedizinische Laboranalytik mit einbezogen werden. Endpunkt dieser Integration ist die ganzheitlich-systemische Beurteilung des Patienten.

Literatur:

[1] Arlom C.
Funktionsoptimiertes zahnärztliches Meridianscreening auf der Basis integrativer Kompartimentphysiologie – Eine zur Konvention adjuvante komplementäre Anamnese und Befunderhebung. Thesis. 2005 (unveröffentlicht).

[2] Arlom C.
Integrative Zahnmedizin – Vorschau auf Nachhaltigkeit.
Zukunftsperspektiven einer ganzheitlichen Zahnheilkunde.
GZM – Praxis und Wissenschaft. 2005;4:26-28.

[3] Arlom H.
persönliche Mitteilung.
1996.

[4] Dosch P.
Lehrbuch der Neuraltherapie nach Huneke
(Regulationstherapie mit Lokalanästhetika),
14. Aufl. Heidelberg: Haug; 1995.

[5] Gleditsch JM.
Mundakupunktur,
Ein Schlüssel zum Verständnis regulativer Funktionssysteme,
4. Aufl. Schorndorf: Biologisch-Medizinische Verlagsgesellschaft; 1988.

[6] Graf K.
Der nervtote Zahn.
Ärztezeitschrift für Naturheilverfahren und Regulationsmedizin.
2005;7:193-197.

[7] Heine H.
Der Akupunkturpunkt – ein Meridianorgan.
Deutsche Zeitschrift für Akupunktur.
1996;3:75-80.

[8] Lechner J.
Störfelder im Trigeminusbereich und Systemerkrankungen – Ein ganzheitsmedizinisches Lehrbuch zur Theorie und Praxis der Sanierungodontogener Störfelder.
Kötzting: Verlag für Ganzheitliche Medizin; 1999.

[9] Osswald R.
Kolumne Deppe vs. Osswald – Teil II. Dental-Barometer.
2007;2:12-21.

[10] Pendergrass C, Haley B.
Toxicity of Thimerosal an Organic Mercurial
Added to Vaccines. www.altcorp.com/DentalInformation/
(Stand 08.08.1998).

[11] Schreckenbach D.
Zahngeflüster.
Homburg: Portal zur Gesundheit; 2006.

[12] Spranger H.
Stressreaktion, Psychoneuro-endokrino-Immunologie und Grundsubstanz, Immun-Modulation zwischen Resistenzbarrieren und Grundsystem.
Inter-Uni, Modul Regulationsbiologie, Lernfeld 6.
Graz:Inter-Uni; 2004.

[13] Spranger H.
Kompartimentphysiologie.
Kompartimenphysiologie
(Stand 02.02.2006).

[14] Spranger H.
persönliche Mitteilung.

[15] Weinschenk S.
Wirkung der Neuraltherapie an der Zellmembran. Komplementäre und integrative Medizin.
Ärztezeitschrift für Naturheilverfahren.
2007;2:37-41.

Autor:

Christoph Arlom

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