Integrative Zahnheilkunde (Archiv)

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Zahntoxine und Enzymhemmung bei Zahnwurzelbehandlungen

Von Johann Lechner, erschienen in: Naturheilverfahren & Lebensthemen Nr. 9/2003, S. 50-53.

Ist ein Zahn abgestorben, wird in der Regel vom Zahnarzt der Nerv entfernt und durch eine Wurzelfüllung ersetzt. Dadurch kann der Zahn als mechanisches Kauwerkzeug erhalten werden, aber gleichzeitig gibt dieser Zahn in mehr oder minder großem Ausmaß Gifte an den Körper ab. Eines dieser Gifte wird Merkaptan genannt. Diese Schwefel-Wasserstoff-Verbindung kann z. B. Quecksilber-Ionen anlagern, die aus Amalgamfüllungen stammen.

Dadurch entsteht ein so genanntes Methyl-Merkaptan, das in der Lage ist, wichtige Enzyme zu hemmen.

Nach Mitteilung der American Cancer Society ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für die Entstehung eines bösartigen Tumors eine weitgehende Hemmung der Alkalin-Phosphatase. Methyl-Merkaptan ist einer der Hauptfaktoren für die Zerstörung dieses wichtigen Enzyms Alkalin-Phosphatase. Die wichtigsten Quellen für das Methyl-Merkaptan sind:

  • paradontale Taschen
  • wurzelgefüllte Zähne und
  • chronische entzündliche Prozesse im Kieferknochen (Chronische Kieferostitis)

Besonders fatal wirkt sich eine Enzymhemmung im Bereich der Mitochondrien aus. Mitochondrien sind die Kraftwerke der Zellen und stellen einen Stoff bereit, ohne den kein einziger Lebensprozess ablaufen kann, nämlich das ATP (Adenosintriphosphat). Die Prozesse, die am meisten ATP verbrauchen, sind Muskelarbeit und Gehirnaktivität. Wenn also die Mitochondrien aufgrund der oben genannten Enzymhemmung nicht genügend ATP bereitstellen können, entstehen Krankheitssymptome wie chronische Müdigkeit, Unlustgefühle, Depressionen und allgemeine Leistungsschwäche.

Ohne Biokatalysatorwirkung der Enzyme würden die Reaktionen in den Zellen nicht oder nur sehr langsam ablaufen. Insbesondere bei Krebspatienten konnte die vitale Bedeutung der Enzyme bereits Anfang dieses Jahrhunderts nachgewiesen werden: 1907 spritzte der schottische Arzt Dr. John Beard frisches Pankreasextrakt bei Krebspatienten und beobachtete eine rapide Remission der Tumore. 1960 kamen Wolf und Benitez aufgrund ihrer jahrelangen Forschungsarbeiten zu dem Schluss: „Das frühzeitige Altern ist im Wesentlichen auf einen Mangel an Enzymen zurückzuführen.“ Arbeiten und Erkenntnisse von Wolf/Benitez führten zur Entwicklung der Wobe/Mugos-Enzymdragees.

1. Funktion der Enzyme

Das Wesen der Enzyme besteht darin, Substrate anzudocken und diese entsprechend zu bearbeiten. Das Andocken dieser Substrate geschieht innerhalb des Enzyms an einem aktiven Zentrum. Diese aktiven Zentren der Enzyme bestehen in der Regel aus Sulfhydryl (SH)-Gruppen.
ATP ist die eigentliche Speicherform von Energie, die dem Körper zu Verfügung steht; ohne ATP ist kein Stoffwechselprozess denkbar und möglich. Das Problem innerhalb der Bereitstellungsprozesse von ATP besteht darin, dass der Körper insgesamt nur etwa 35g ATP zur Verfügung hat, das täglich ca. 2.000-mal auf- und abgebaut werden muss.

Man kann davon ausgehen, dass eine ungenügende Bereitstellung von ATP, z. B. innerhalb der Zelle, zu einer Minderung der gesamten Zellfunktion führen muss.

2. Enzymblockaden durch Zahntoxine

Anaerobe Bakterien in avitalen und wurzelbehandelten Zähnen sind in der Lage, hohe Konzentrationen von chemischen Verbindungen zu produzieren, die sich als extrem toxisch erwiesen haben. Neueste Forschungen aus den USA schließen die Lücke der Objektivierbarkeit in der Bewertung von diesen toxischen Belastungen.

  • In diesem Zusammenhang gewinnen tote Zähne eine völlig neue Dimension in der Entstehung von Krankheit und Erhaltung der Gesundheit.

In den Forschungsergebnissen der Fa. Affinity Labeling Technologies, ALT (Mit Dr. Curt Pendergrass als Präsident und Prof. Boyd Haley als Gründer und wissenschaftlicher Mitarbeiter) haben sich just die Zähne als eine potenzielle Quelle extrem toxischer Substanzen herausgestellt. Das ist das Ergebnis von mehr als 35 Jahren Forschung auf dem Gebiet von Protein-Biochemie, Schwermetall-Neurotoxizität und neurodegenerativen Erkrankungen. Bakterien in avitalen, wurzelbehandelten und vitalen aber parodontal erkrankten Zähnen sind praktisch mit Antibiotika und lokalen Desinfektionsmitteln nicht zu erreichen.

  • Sie stellen deshalb ein konstantes Reservoir für bakterielle systemische Infekte dar.

Um die Wirkung von toxischen Stoffen auf biologische Prozesse – insbesondere Enzymaktivitäten – feststellen zu können, haben Professor B. Haley und Dr. C. Pendergrass eine Nachweistechnik entwickelt. Der Grundgedanke dieser Technik ist folgender:

  1. Man setzt Toxinextrakte aus avitalen Zähnen oder auch aus Kieferentzündungen Enzymen zu, die zu 100 % aktiv sind.
  2. Über eine radioaktive Markierungstechnik wird die Restaktivität der Enzyme nach dem Kontakt mit den Toxinen gemessen.

Diesem Prozess liegt folgendes biochemisches Reaktionsmuster zugrunde: Schwermetalle und Toxine blockieren die aktive SH-Gruppe des Enzyms (Abb. 1).

Abb. 1
Zahntoxine: Abb. 1

Nach der Blockierung der Enzyme stehen im Grundsatz diese nicht  mehr für eine Andockung von Substratmolekülen zur Verfügung. Der notwendige Stoffwechselprozess, wie z. B. die Enzymreaktionen innerhalb der Mitochondrien zur Bereitstellung von ATP, läuft nicht mehr in der notwendigen Intensität ab. Die Abbildung 2 zeigt, welche Markerenzyme verwendet werden und in welcher Weise diese Markerenzyme z.B. durch Toxine aus dem Areal einer Chronischen Kieferostitis (Abb. 3) gehemmt werden. In der amerikanischen Literatur wird dieses weit verbreitete Phänomen chronisch-entzündlicher und fettig-degnerativer Erscheinungen im Kieferknochen NICO bezeichnet. In dem aufgeführten Patientenfall wird mit einer Restaktivität von nur noch 35 % am stärksten die Phosphorglycerat-Kinase durch die Toxine aus dem Areal der chronischen Kieferostitits gehemmt.

Abb. 2
Zahntoxine und Enzymhemmung Abb. 2
Abb. 3
Zahntoxine und Enzymhemmung Abb. 3
  • Die Aktivitätsminderung der anderen Enzymsysteme bewegt sich um die 50 %.

Bakterien, die diese Toxine – insbesondere Methyl-Merkaptan – produzieren, lassen sich herkömmlicherweise aus infizierten avitalen oder endodontisch behandelten Zähnen sowie aus NICO-Arealen und Kieferostitiden isolieren. Daraus folgt, dass überall da, wo anaerobe Bakterien vorliegen können, Methyl-Merkaptan entsteht.

Quecksilber aus Amalgam kann sich mit dem toxischen Methyl-Merkaptan aus dem Stoffwechsel anaerober Bakterien zu einem noch stärkeren Gift verbinden: Das geschieht durch Schwermetallanlagerungen an Ch2Sh. Dadurch entsteht die hochtoxische Verbindung Ch3S-Hg++. An der Giftigkeit von Quecksilberlösungen dürften keine wissenschaftlichen Zweifel bestehen.

  • Dennoch mag niemand der Giftigkeit organischer Quecksilberverbindungen in oben genannter Form die nötige Aufmerksamkeit schenken.

Nachweis der Zahntoxine in der Praxis

Folgende Frage steht nun im Raum:
Lassen sich diese Toxine in der Praxis am Patienten nachweisen und quantifizieren?

Hierzu haben Haley/Pendergrass einen Test entwickelt, der die Antwort nach der Toxizität toter Zähne für den Praktiker stark vereinfacht: Bei diesem OroTox-Test werden mit einer Papierspitze im Zahnfleisch des zu untersuchenden Zahnes die Toxine absorbiert. Die Papierspitze wird 1 Minute lang am Zahnfleisch des Patienten belassen. Die Papierspitze wird in ein Behältnis mit Indikatorflüssigkeit getaucht und nach fünf Minuten wird die Farbintensität der gelben Flüssigkeit bestimmt: Je dunkler die Gelbfärbung, desto mehr Toxine diffundieren aus den mit Bakterien gefüllten Dentinkanälchen in den Sulcus des untersuchten Zahnes.

  • Aus dem Testergebnis kann auf die Menge an Toxin und damit auf die Intensität der Schadstoffwirkung dieses Zahnes auf das Gesamtsystem rückgeschlossen werden.

Für eine undogmatische, am Einzelfall orientierte systemische Zahnheilkunde kann folgende Forderung in den Raum gestellt werden:

Jeder wurzelgefüllte Zahn sollte im Einzelnen auf seine Toxinausscheidung getestet werden; hierzu eignet sich der OroTox-Test aufgrund seiner einfachen Handhabung und seiner minutenschnellen Klassifizierungsmöglichkeit.

Einem exodontistischen Dogmatismus kann mit dem OroTox-Test ebenso eine klare Absage erteilt werden wie einer Verharmlosung der Toxinproblematik, herrührend von wurzelgefüllten Zähnen und chronischen Kieferostitiden.

Die Therapie eines toxischen Störfeldes besteht in der Regel darin, das Störfeld zu entfernen:

  • Das toxische Material muss entfernt werden.
  • Der tote Zahn muss gezogen werden.
  • Das ostitische Areal bzw. die NICO muss operativ gesäubert werden.
  • Die in den Körpergeweben – auch in den Mitochondrien – verbleibenden Toxine müssen durch medikamentöse Ausleitungsmaßnahmen entfernt werden.
  • Die toxinbedingten Enzymhemmungen müssen rückgängig gemacht werden.
  • Das zahnärztliche Röntgenbild kann keine verlässliche und wissenschaftlich fundierte Aussage über den Toxingehalt eines wurzelgefüllten Zahnes liefern.
  • Eine systemisch orientierte Entscheidung über die Wirkung wurzelgefüllter Zähne kann nicht allein röntgenologisch begründet werden.

Autor:

Dr. Johann Lechner

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