Integrative Zahnheilkunde (Archiv)

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Zirkonoxid

Von Johann Lechner, erschienen in: GZM – Praxis und Wissenschaft, 8. Jg., 2/2003. S. 22-25.


Unklarheiten, Unsicherheiten und unzutreffende Behauptungen über „radioaktive Strahlung“ im Allgemeinen und Keramikgerüste aus Zirkonoxid (ZrO2) im Speziellen sind weit verbreitet. In diesem Beitrag wird versucht, den aktuellen Stand des Wissens und eigene Erfahrungen vorzustellen. Gleichzeitig möchte der Verfasser nicht den Anschein erwecken, Zirkonoxid sei endlich ein Zahnersatzmaterial, das keinerlei Probleme mit sich bringen könnte. Gegenüber Metallen und Kunststoffen hat der Verfasser aber bei über 4000 eingegliederten Zirkonoxid-Einheiten innerhalb von 5 Jahren eine erheblich höhere Biokompatibilität im Vergleich zu Kunststoffen und Metalllegierungen sowie gegenüber anderen Keramiken eine erstaunliche mechanische Bruchfestigkeit feststellen können.

Die präzisen Bearbeitungsmöglichkeiten von ZrO2 mittels moderner CAD/CAM-Techniken ermöglichen die Herstellung von ausgedehntem metallfreien Zahnersatz. Auf Grund von hohen Biegefestigkeiten von industriell vorgesinterten Z-Blöcken (ZrO2 = 1300 Mpa; Al2O3-Keramiken = 400-600 MPa; Glaskeramiken = 100-200 Mpa) sind auch Brücken größerer Spannweite herstellbar.

Um die Frage „Ist Zirkonoxid radioaktiv und gefährlich?“ korrekt beantworten zu können habe ich bereits in früheren Arbeiten (1) (2) diese Frage bearbeitet. Die physikalischen Daten zur nachfolgenden Übersicht entstammen einer Arbeit aus dem Isotope Laboratory for Biological and Medical Research, Georg-August-Universität, Göttingen (3).

Was ist alpha-Strahlung?

Zirkonoxid besitzt ursprünglich einen hohen Anteil an natürlichen Radionukleotiden mit Abstrahlungsintensität im Bereich der Uranium-Radium- und Thorium-Kette. Das bedeutet aber nicht, dass Zirkonoxid Uranium-Radium und Thorium enthalten würde. Die beta- und gamma-Strahlung dieser Nukleotide hat theoretisch eine wesentlich höhere Absorptionsrate im menschlichen Gewebe als die alpha-Strahlung. Demzufolge ist ein höherer Prozentsatz des Gewebes von beta- und gamma-Strahlung betroffen als von alpha-Strahlung. Beta- und gamma-Strahlung von Zirkonoxid sind aber so gering, dass sie nach heutigem Wissen vernachlässigt werden können.
Die alpha-Teilchen sind für die Hauptbelastung verantwortlich, können aber nur eine Gewebsschicht von 60 µm (= 10-6 m) Dicke durchdringen, haben also nur eine höchst geringe Eindringungstiefe. Entscheidende Größen bei der Beurteilung radioaktiver Belastungen sind:
a) Fluss-Dichte der alpha-Teilchen, die die ZrO2 Oberfläche verlassen und
b) die effektive Dosis Rate, die das umgebende Gewebe erreicht.

Beurteilung der Strahlung von ZrO2

Zirkonhaltige Sande, die als natürliches Rohmaterial dienen, sind in Abhängigkeit von ihrer Abbauregion unterschiedlich stark mit radioaktiven Isotopen, wie Uran, Thorium und deren Zerfallsprodukte, belastet. Die Herstellung von Zirkonoxid erfolg durch chemische Behandlung von Zirkonsand (ZrSiO4). Diese Materialen werden chemisch aufgelöst und in mehreren Schritten chemisch so gereinigt, dass daraus ein hoch reines Ausgangsprodukt entsteht. Dieses wird mit 3 Mol-% Yttriumoxid (Y2O3) legiert, anschließend wärmebehandelt (calciniert) und gemahlen. Der resultierende Rohstoff gilt als hoch rein und praktisch frei von allen störenden Verunreinigungen, einschließlich von strahlenden Anteilen.

Hoch reine, von alpha-Emissionen vollkommen unbelastete, ZrO2 Keramik ist technisch realisierbar.

Proben zeigen Organdosen herunter bis 3,78 mSv/Jahr mm2. Zum Vergleich: Die Kunststoffmasse „Paladur“– eines der am weitesten verbreiteten Metacrylate in der zahnärztlichen Prothetik – hat eine Strahlung von 2,29 mSv/Jahr mm2. Auch andere Werkstoffe wie die Al2O2-Keramiken und CrCo-Legierungen - für herausnehmbaren Zahnersatz - geben radioaktive Strahlung ab, die geringfügig niedriger oder in vergleichbarer Größenordnung liegt (4).
Herkömmliche Aufbrennkeramik, wie sie seit Jahrzehnten in der Zahnheilkunde zur Verblendung von Metallkronen verwendet wird, zeigt eine Organdosis von 4,2 mSv/Jahr mm2. Die natürliche jährliche Strahlenexposition in Westeuropa beläuft sich im Mittel auf 1,1-3,7 mSv, die zivilisatorische auf 0,6-1,2 mSv.

Eine zahnärztliche Brücke aus Zirkonoxid-Hochleistungskeramik steigert die Autoradioaktivität des skelettalen Gesamtminerals eines Erwachsenenskeletts um zirka 0,1 %.

Abb. 1
Zirkonoxid: Abb. 1

Bei Zahnersatz aus ZrO2-Keramik in Form von Brücken und Kronen minimiert sich die Gefahr der Induktionen eines Neoplasmas zusätzlich dadurch, dass die unmittelbar anliegenden anorganischen Mineralstrukturen selbst keiner Mutagenität unterliegen. Um die Zahlenwerte der Strahlenbelastung in eine klinisch fassbare Dimension zu überführen (5): Ein Dentalschrauben-Implantat aus ZrO2-Keramik würde bei einer Verweildauer von 12 Monaten hypothetisch fünf maligne Tumoren induzieren, wenn man 100 Millionen derartiger Schrauben inkorporieren würde. Um die Belastungen aus ZrO2 richtig beurteilen zu können, werden die durchschnittlichen radioaktiven Belastungswerte verschiedener Organe hierzu in Relation gesetzt. Die folgende Tabelle gibt die natürlichen jährlichen radioaktiven Belastungen bestimmter Organe wieder im Vergleich zu einer hochgereinigten ZrO2-Probe (Abb. 1)

Abb. 2
Zirkonoxid: Abb. 2

Deutlich könnte man ableiten, dass aus hochgereinigter ZrO2-Keramik eine alpha-Strahlung emittiert wird, die in der Belastungsintensität weit unter der natürlichen Belastung steht. Noch interessanter wird die Betrachtung, wenn man die natürliche spezifische alpha-Strahlenbelastung z. B. des oberen Bronchialgewebes mit der alpha-Abstrahlung einer ZrO2-Probe vergleicht: Dennoch beträgt die ZrO2 alpha-Strahlenbelastung des umgebenden Gewebes in einer minimalen Schichtstärke von 6 µm nur 4 % dessen, was die Bronchien durch natürliche und kosmische Belastung zu ertragen haben (Abb. 2).

Eine anekdotische Zwischenbemerkung: Der SPIEGEL in der Ausgabe 8/2003 berichtet auf der Seite 134 von der Untersuchung zweier Skelette in der Nähe von Stonehenge. Anhand der Sauerstoffisotope im Zahnschmelz der Skelette ließ sich ermitteln, dass die Skelette Trinkwasser aus den Alpen zu sich genommen hatten und demnach Stonehenge wahrscheinlich von Bayern oder Österreichern erbaut wurde.
Da kaum anzunehmen ist, dass in der Steinzeit bereits umfangreicher „strahlender Zahnersatz“ eingegliedert wurde, bleibt nur der Rückschluss, dass der Mensch seit Jahrtausenden Isotope über Nahrung und Trinkwasser aufnimmt.

Isotopenstrahlung scheint also ein Prozess zu sein, der Evolution und Leben des Menschen seit jeher begleitet. Zu glauben, ein „strahlungsfreies“ Leben hätte es jemals gegeben scheint in dieser Form nicht haltbar.

Abb. 3
Zirkonoxid: Abb. 3

Vergleich von ZrO2 mit anderen Keramiken

Da in der Zahnheilkunde schon seit 30 Jahren keramische Verblendungen – in der Regel aus Al2O3-Keramiken – üblich sind und auch von ihrer Strahlungsintensität nicht weiter hinterfragt werden, ist es interessant, die spezifische Aktivität der Nukleotide von ZrO2 und Al2O3-Keramiken zu vergleichen (Abb. 3).

Demnach ist die hochgereinigte ZrO2-Probe zwar im Bereich der Uranium- und Thorium-Reihe ein ungefähr doppelt so starker Strahler wie Al2O3, aber gerade im Bereich der alpha-Strahlung – die für das umgebende Gewebe besonders wichtig ist – liegt ZrO2 unter der Al2O3-Keramik. Al2O3 ist in allen gängigen Sinterkeramiken enthalten. Im Übrigen enthält jede Glasampulle, in der übliche homöopathische Medikamente ausgeliefert werden, einen Prozentansatz von ca. 10 % an Al2O3. Hat jemand schon mal die alpha-Strahlung gemessen, die von diesem obligaten Glasbestandteil ausgeht und befürchtet ob nicht seine homöopathischen Medikamente dadurch „verstrahlt“ gewesen wären?

Schlussfolgerungen

Als zusammenfassende Schlussfolgerungen lässt sich bisher feststellen:

  • ZrO2 belastet den Organismus weit weniger stark als natürliche oder kosmische Strahlungsquellen.
  • Die Behauptung, herkömmliche Keramiken seien in ihrer radioaktiven Belastung harmlos gegenüber ZrO2, ist so nicht haltbar.
  • Betrachtet man andere Materialien wie z. B. Glas und Kunststofffüllungen, die ebenfalls leicht strahlende Keramikbestandteile wie z. B. Al2O3 oder ZrO2 als Röntgenkontrastmittel enthalten, dann entpuppt sich die Fixierung der Strahlungsproblematik auf Zirkonoxidkeramiken als physikalisch nicht haltbares Vorurteil.
  • Selbstverständlich fordert auch eine zahnärztliche Versorgung mit Zirkonoxidkeramiken dem Körper eine bestimmte Anpassungsleistung ab. Ist diese bei chronischen stark vorbelasteten und hypersensibilisierten Patienten erschöpft, können diese auch auf Zirkonoxid-Keramiken mit Unverträglichkeit reagieren.
  • Im Vergleich mit den immunologischen und toxischen Belastungen, die auch von hochgoldhaltigen Legierungen ausgehen können, ist aus den Erfahrungen des Verfassers eine Versorgung mit Zirkonoxid-Keramiken unter gesamtregulatorischen Aspekten immer noch die augenblicklich bessere Alternative.

Literatur:

1) Lechner, J.: Biochemisch völlig inert: Zahnersatz mit metallfreiem Gerüst aus Zirkonoxid: Zeitschr. f. Umweltmedizin 8. Jg. Heft 6/2000, S. 342-345.

2) Lechner, J.: Hyposensibilisierter Zahnersatz. GZM Praxis und Wissenschaft 5. Jg. Heft 2/2000.

3) Postendörfer, J.; Reineking, A.; Willert, H.-G.: Radiation risk estimation based on activity measurements of zirconium oxide implants. Journal of Biomedical Materials Research, Vol. 32 (1996), S. 663-667.

4) Cales, B.; Peille, C.N.: Radioactive properties of ceramic hip joint heads. In: Heimke, G. (Hrsg.): Bioceramics Bd. 2: Dtsch Keramische Ges., Köln 1990.

5) Zimmermann M.; Fischer-Brandies E.; Winkler R.; Roos H.: Strahlenexposition durch zirkonoxidhaltige Werkstoffe. Wehrmedizinische Monatsschrift 42 (1999), S. 4-8.

Weiterführende Literatur:

1) Rieger, W.: Studies of Biocompatibility of ZrO2 and Al2O3 ceramics. Contribution, 6th Biomaterial Symposium Göttingen (1994).


2) Houchin MR, Jenkins DH, Sinha HN: Production of high-purity zirconia from zircon. Veramic Bull. 69 (1990) 1706.


3) Christel P.; Meunier A.; Heller M.: Mechanical properties and long term invivo evaluation of yttrium-oxide-partially-stabilized zirconia. Jbiomed Mater Res 23.

Autor:

Dr. Johann Lechner

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